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Panorama 

„Die Überwindung des Begriffs des »Fortschritts« und des Begriffs der »Verfallszeit« sind nur zwei Seiten ein und derselben Sache.“

Walter Benjamin; Das Passagen-Werk [N2,4]

 

Seit dem Aufkommen der Industrialisierung hat die Zahl der uns umgebenden 

Informationen und Produkte exponentiell zugenommen. Dabei wird es immer schwieriger zu überblicken und unterscheiden, welches relevante Informationen sind, und wobei es sich um vermeintliche oder falsche Informationen handelt. Auch ist es schwieriger geworden aus zu machen, welche Waren und Dienstleistungen der Lebensqualität zuträglich sind und welche nicht. In die gleiche Zeit fällt der Bedeutungsverlust der Panoramendarstellungen*.

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In der Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden in Paris die ersten Passagen. Ladenbesitzer schlossen sich zusammen und investierten gemeinsam in die Überdachung einzelner Häuserzeilen und Gassen. Bevor die ersten Gaslaternen installiert wurden, war es ziemlich düster in den Passagen, eine Mischung von Regen, Staub und Kohleruss beschlug die Scheiben der Glasdächer. Die Sicht auf den Himmel war eingetrübt. Umso mehr traten die zur linken und rechten Seite des Weges aufgetürmten Waren hervor. 

Durch die um sich greifende Industrialisierung waren die Besucher erstmals mit 

umfangreichen Warenlagern konfrontiert. Die Schwelle zum Massenkonsum wurde gerade überschritten.

Mit der stetigen Ausdehnung und Verfeinerung der Produktionstechniken, und den zunehmenden Ausstellungsmöglichkeiten rückten simultan immer mehr Waren und Informationen in den Blick der Menschen. Die Aufreihung der Waren zur linken und rechten Seite des Gehwegs in der Passage, liess die Perspektive auf einen Punkt auf der Horizontlinie zusammenschrumpfen. Um den Raum dennoch nicht beengend erscheinen zu lassen, bediente man sich eines Kniffs: Panoramenbilder wurden ins Blickfeld 

gerückt. Nebst ihrem dekorativen Effekt stellten sie einen illusorischen Horizont her und boten Orientierung. Sie wurden bald zu einem stilbildenden Element und trugen zur Attraktivität der Passagen bei. Allerdings veränderten sich dabei Aufgabe und 

Status des Panoramas, es war nun nicht mehr Selbstzweck, sondern wurde zu einem dekorativen Element. Das Panorama, und mit ihm die implizierte Möglichkeit, einen 

Überblick zu erlangen, wurde instrumentalisiert.

*Panoramen erfreuten sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts grosser 

Beliebtheit. Sie dienten als Träger von Informationen bevor die Fotografie und das bewegte Bild massenhafte Verbreitung fanden. So zeigten Panoramen Landschaften und Städte aus fremden Ländern oder aus Perspektiven, die man selbst nicht besuchen beziehungsweise selbst nicht einnehmen konnte. Sie ermöglichten das Eintauchen in unbekannte Räume. Über mobile und stationäre Einrichtungen fanden Panoramen weite Verbreitung. Eine Vielzahl verschiedener Formate entstand: Dioramen, Kosmoramen, Diaphanoramen, Navaloramen, Peloramen, Fantoscope, Georamen, Stereoramen, 

Cyklpramen, Neoramen, Myrioramen, Kigoramen etc.

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